Feldpostbrief vom 6.4.1944 – Wien

Liebe Mutter und Lisl!

Ich grüße euch vor allem recht herzlich und teile euch mit, dass ich noch im gleichen Lazarett liege. Ich habe noch ein böses Furunkel auf der rechten Hand und werde daher erst nach der Abheilung verlegt. Für die rechte Hand habe ich Bäder verordnet bekommen, die aber nur dazu dienen, dass die Sehne nicht erhärtet. Bin schon neugierig was auf der Chirurgie damit gemacht wird. Nun augenblicklich geht es mir recht gut. Nur Ausgang habe ich bisher noch nicht bekommen. Meine Uniform ist ja auch noch bei der Entlausung. Aber es stößt auch so auf Schwierigkeiten mit dem Ausgehschein. Man macht hier so Geschichten wegen ein paar Stunden, ärger als in der Kaserne. Ich habe heute versucht um einen Wochenendurlaub einzureichen, da fragt mich der Stabsunteroffizier: „Oabat ihna Frau in an Rüstungsbetrieb?“ Nun frag ich morgen den Stabsarzt, ob ich wenigstens am Ostersonntag ausgehen darf. Ob ich Erfolg haben werde ist noch fraglich und weiß ich also noch nichts Bestimmtes. Nach Stangental hätte ich ja sowieso keine Aussicht gehabt, da alle Urlaube mit Bahnbenützung über die Feiertage gesperrt sind. Einschränkung ist ja auch für Zivil angeordnet. Es würde mich aber doch recht freuen, wenn du liebe Mutter oder Lisl nach Wien kommen könntet. Krieg ich am Sonntag Ausgang, kann ich von 8 Uhr Früh bis 20 Uhr abends ausbleiben. Ich begib mich dann zu Frau Lensky und warte dort. Viel herumspazieren kann ich ja so nicht, weil ich erst die Uniform tauschen muss und auch sonst nicht viel los ist in Wien. Wer weiß ob auch das Wetter schön sein wird. Aber die wenigen Stunden fliegen ohnehin nur so dahin beim Plausch, wenn man sich so lange nimmer gesehen hat. Wenn ich aber nicht hinaus dürfte, weil vielleicht zu viele eingereicht haben und vorerst doch die Verheirateten berücksichtigt werden, dann müssen wir uns auf die 2 Stunden Besuchszeit beschränken. Aber ich glaube schon, dass ich Glück hab. Wegen späteren Genesungsurlaub wurde vom Lazarett hier bei meinem Ersatztruppenteil eingereicht. Aber den bekomme ich ja nach der Entlassung aus dem Lazarett erst. Bis dahin wird auch die Witterung besser werden und ich freue mich schon sehr auf Stangental. Vielleicht trifft es sich, dass während der Zeit, wo ich in der Heimat bin, auch Roman Urlaub kriegt. Ich habe ihn jetzt schon fast 3 ½ Jahre nicht gesehen. Auch Fredl muss ja wieder dran sein mit Urlaub. Hier ist es ein wenig langweilig, und weil ich nicht heraus kann, unterscheidet sich der Lazarettaufenthalt wenig von den anderen Städten. Von der Chirurgie hoffe ich aber öfter Karten für Theater und Varieteveranstaltungen zu bekommen. Auch möchte ich mich jetzt einmal einige Museen und Ausstellungen ansehen. Früher im Zivilleben hab ich mir nie dazu die Zeit genommen und beim Militär auch, oder erst recht, keine Gelegenheit mehr gehabt. Ich war auch schon lange in keinem Kino mehr. Wenn ich nun schon mal in Wien bin, muss ich doch ein wenig was unternehmen. Und immer unter Landsern sein, wird einem auf die Dauer das Hirn sauer. In meiner Stube sind überhaupt so kindische Leute und einen richtigen Plattenbruder haben wir ebenfalls da. In dieser Beziehung fühle ich mich gar nicht sehr wohl. Ganzen Tag herrscht Lärm und Wirrwarr und zur Genesung gehört doch vor allem Ruhe. Also Sonntag werde ich ein paar Stunden andere Luft atmen. Wenn du liebe Mutter oder Lisl kommt, so geh gleich zu Frau Lensky hin. Wenn ich Ausgang bekomm, bin ich schon Vormittags dort. Hoffentlich klappt alles. Wenn nicht, dann besucht mich halt Nachmittags. Bringt mir bitte den Rasierpinsel und ein altes Hemd mit. Aber nur ein ganz schlechtes Lumperl zum Umtausch. Nun sonst habe ich aber alles und freue mich vor allem auf ein Wiedersehen. Hoffentlich seid ihr gesund und wohlauf. Dir liebe Mutter wünsche ich zu deinem Geburtstag alles Gute und Schöne, besonders recht gute Gesundheit. Und euch beiden ein fröhliches Osterfest. Somit schließe ich für heute mit nochmals recht herzlichen Grüßen und innigen Küssen und bin wie immer euer dankbarer Toni.

Der originale Feldpostbrief

feldpostbrief wien april 1944
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 6.4.1944 aus Wien
feldpostbrief wien april 1944
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 6.4.1944 aus Wien

Informationen zu diesem Feldpostbrief

Reserve-Lazarett XII b in der Jägerstraße 54, 1200 Wien (Schule)

Anton Steinacher erreichte am 30. März 1944 Wien und wurde in das Reserve-Lazarett XII b in der Jägerstraße 54, 1200 Wien eingeliefert, wo er nun auf die Überweisung in die Chirurgie gewartet hat.

Eine Anmerkung zum Briefpapier und Kuvert:

Das Briefpapier und Kuvert stammt von der Guardia alla Frontiera, einer 1937 gegründeten Grenzwache der italienischen Armee, welche die 1.851 km lange norditalienische Grenze mit dem sogenannten „Vallo Alpino Occidentale“ (487 km mit Frankreich), dem „Vallo Alpino Settentrionale“, (724 km mit der Schweiz und 420 km mit Österreich) und dem „Vallo Alpino Orientale“ (220 km mit Jugoslawien) verteidigte.