Feldpostbrief vom 5.2.1942 – Bad Reichenhall

Liebe Mutter!

Sende Dir ebenfalls recht herzliche Grüße und vielen Dank für den lieben Brief. Am allerliebsten käme ich ja schon endlich selber zu Besuch und erwarte mit Ungeduld den Tag meines Urlaubsantritts. Es kommt halt immer was dazwischen, so muss ich jetzt einen Schreiber für eine zweite genesende Kompanie, die demnächst eröffnet wird, abrichten und in mein Fach einweisen. Durch die vielen Erkrankungen und natürlich fortdauernden Verwundungen der Soldaten an der Front wird uns die Kompanie bereits zu klein. Freilich gehen wieder ständig gesund gewordene an die verschiedenen Einheiten ab. Arbeit haben wir jedenfalls nach wie vor sehr viel. Für mich ist es aber ein Vorteil, wenn ich noch hier verwendet werde, zumindest solange die große Kälte noch anhält. Bei meiner Kälteempfindlichkeit weis ich ohnehin nicht, wie ich andernfalls den heurigen Winter durchgestanden hätte. Meinen chronischen Katarrh habe ich sowieso wieder. Sonst geht es mir heuer aber recht gut und habe mich tadellos erholt. Freilich eingesperrt ist man in der Kaserne und kein freier Mensch wie doch in Zivil. Geht man wirklich mal aus, wird man überall unfreundlich behandelt als Soldat. Kann sein, dass dies nur in den Garnisonsstädten so ist. Zum Teil ist es auch sehr begreiflich, denn die meisten Soldaten, die doch aus allen Volksschichten zusammengestellt werden, haben keinerlei Manieren, von Bildung schon gar nicht zu reden. Die legen oft ein ungehöriges und freches Benehmen an den Tag, dass man sich schämt für diese Kerle. Und in der Uniform ist eben jeder gleich und wird auch ganz so von den Zivilisten eingeschätzt. Da ist es noch weitaus besser an der Front. Da werden auch die Frechsten kleinlaut. So habe ich auch schon in einigen Wirtschaften und kürzlich sogar beim Zahnarzt energisch aufbegehren müssen, weil die Leute gerade glauben, dass ein Soldat der letzte Dreck im Reich sei. Der Zahnarzt ist sogar Parteigenosse. Wäre ein Schlag für Romans Idealismus gewesen. Nachdem der nette Volksgenosse meine Meinung erfuhr, wollte er mich zur Meldung bringen. Doch ich habe vorher gleich unserem Chef selbst Bescheid gesagt. So Kleinstadtkapazitäten haben es hier halt meist mit plumper Landbevölkerung zu tun und spielen sich daher so auf. Schade nur, dass man im Einsatz auch für diese Klasse kämpft. Die Parasiten sterben halt nie aus. So ist es halt auch in der Heimat immer was. Trost und Zerstreuung gibt mir halt hier die wunderschöne Landschaft. So geht es mir im Verhältnis zu anderen doch noch sehr gut. Du hast mir, liebe Mutter, wieder so viel Geld geschickt und ich hab ja vom letzten fast noch alles. Nun vielen Dank auch dafür und werde ich im Urlaub halt gut verwerten. Das andere alles und auch wegen Frau Lensky besprechen wir dann mündlich. Nun hoffe ich, dass ich bald heim darf und bis dahin grüßt Dich nochmals und auch unsere gute Lisl herzlichst, wie immer Euer dankbarer Toni

Der originale Feldpostbrief

Feldpostbrief Anton Steinacher 05021942 Genesungskompanie E100
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 5.2.1942
Absender: Soldat A. Steinacher Genesungskompanie E100

Weitere Infomationen zu diesem Feldpostbrief

Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall

Anton Steinacher absolvierte seine Gebirgsjäger Grundausbildung im Jahr 1940 in der Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall. Der Truppenübungsplatz liegt im Kirchholz und ist etwa 3 Kilometer von der Kaserne entfernt. Die Schießanlage befindet sich im Nesselgraben (Ortsteil Thumsee).

Hochstaufen Kaserne Bad Reichenhall
Von Manniman2 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0