Liebe Mutter und liebe Lisl!
Seid vor allem wieder recht herzlich gegrüßt und danke euch für die Päckchen mit Feuerzeug und Wörterbuch. Werde auf beides schon gut achtgeben, dass sie nicht kaputt und nicht verloren gehen. Sollte ich von Frankreich wegkommen, sende ich das Bücherl wieder zurück. Habt ihr meinen Brief vom 19. September schon bekommen? Eure letzte Post ist auch noch von Anfang September und freue ich mich schon wieder auf Nachricht von euch, liebe Mutter und Lisl. Wie geht’s euch denn immer? Hoffentlich ist Lisls Ischias schon besser und auch dein Rheuma, liebe Mutter. Wenn die Lisl wieder den Bronchialkatarrh und Husten hat, soll sie nachts einen warmen Leinölfleck auf die Brust legen, das hilft bestimmt. Bei mir war die Bronchitis auch schon hartnäckig und ist so ganz gut geworden. Freilich die kalten und nassen Wintermonate verkühle ich mich halt immer wieder von neuem. Momentan habe ich starken Schnupfen. Bin paarmal arg nass geworden, denn hier regnet es sehr häufig. Der Winter soll hier nicht sehr kalt sein und viel mehr Regen, als Schnee, bringen. Ist ja klar, da wir nahe dem Meer sind. Bitte euch daher um warme Socken, denn die vom Kommiß * sind immer bald durch und aus Baumwolle. Schickt sie aber noch nicht ab, denn ich hoffe, die nächsten Wochen oder im November Urlaub zu kriegen und da könnte ich mir sie mitnehmen. Auch den warmen grünen Pullover, den ich von Reichenhall nach Wien sandte. Wird’s nichts mit Urlaub, schreibe ich euch schon rechtzeitig und sehe mich inzwischen um eine 1.000g-Zulassungsmarke ** um. Bin vorläufig noch beim Troß *** und meine Verletzungen sind soweit schon wieder geheilt, dass ich wieder Dienst tun kann. Bloß die Wunde am Unterschenkel und die Beule am Kopf muss weiter behandelt werden. Jetzt habe ich wieder zwei andere Pferde, zwei schöne große Füchse. Brauche zum Putzen fast eine Leiter, so hoch sind die Kerle, aber im Gespann gehen sie großartig und sind prächtige Tiere. Wie lange ich beim Troß bleibe, ist ungewiss, doch möchte ich bis zu meinem Einsatz dabei bleiben. Dann will ich schon lieber wieder zur kämpfenden Truppe, eventuell zum Granatwerfer, wo ich jetzt zum Schluss war. Augenblicklich sind wir noch immer in Reserve und in den Privatquartieren. Bett gibt es allerdings keines und hausen wir obern Stall, am Dachboden. Schlafen tun wir auf Stroh und Flöhe gibt es da genug des Nachts. Läuse haben wir gottlob noch keine und ist es also doch etwas besser, als in Russland. Sollte ich doch heimfahren dürfen, werde ich schauen, dass ich noch verschiedenes einkaufen kann, wenigstens eine Flasche echten Cognac, denn sonst ist nicht viel aufzutreiben. Die goldenen Zeiten, wie sie gleich nach der Kapitulation Frankreichs waren, sind ja längst vorüber und sobald etwas Brauchbares zu kriegen, auch alles schon auf Marken. Komme jetzt nur selten zum Schreiben und Briefe erhielt ich in letzter Zeit nur von Frau Lensky, Düscher Anni und von Heinz. Letzter war längere Zeit in Salzburg, da er noch an seiner Verwundung laboriert. Nun ist er auch wieder bei seiner Truppe. Dass mir Roman nach unendlich langer Pause geschrieben hat, habe ich euch ja schon mitgeteilt. Auch seine Frau hat mir vor Kurzen geschrieben. Sonst, liebe Mutter und liebe Lisl, weiß ich für heute nichts mehr Wichtiges zu berichten und will euch bald wieder schreiben. Zu Lisls Geburtstag alles Gute, dass ich nicht vergiss, und euch beiden halt nochmals recht herzliche Grüße und innige Küsse, von eurem dankbaren Toni
Der originale Feldpostbrief
Informationen zu diesem Feldpostbrief
* Begriffserklärung: Kommiß (Kommiss)
Kommiss (nach alter Rechtschreibung Kommiß; vom lateinischen committere) – im Volksmund allgemein und im umfassenden Sinne Militärdienst oder Wehrdienst. Mit Kommiss bezeichnet man aber auch alles, was Soldaten seitens des Dienstherrn zur Verfügung gestellt – oder geliefert wird. So spricht man beispielsweise von Kommissbrot, Kommissstiefel, Kommissrock, Kommissmetzger etc.; aber auch metaphorisch beispielsweise von Kommisskopf für eine bestimmte Geisteshaltung.
** Begriffserklärung: Zulassungsmarke
Feldpost-Zulassungsmarken sind spezielle Briefmarken, die während eines militärischen Konfliktes von einer staatlichen Feldpost ausgegeben werden. Solche Marken sind relativ selten, da in den meisten Staaten Feldpost im Allgemeinen portofrei war. Oft waren allerdings Zusatzleistungen wie Einschreiben, Eilzustellung usw. portopflichtig, wofür Feldpostmarken verwendet wurden. Von den Feldpostmarken im engeren Sinne sind die Feldpost-Zulassungsmarken zu unterscheiden. Diese Marken wurden vom Deutschen Reich im Zweiten Weltkrieg durch die Feldpost zur Einschränkung des Postverkehrs zwischen Front und Heimat und in umgekehrter Richtung ausgegeben. Die Soldaten erhielten monatlich eine kleine Anzahl von solchen Zulassungsmarken. Zur Zulassung mussten diese Marken zusätzlich zur Frankatur auf Karten, Brief und Päckchen geklebt werden.
*** Begriffserklärung: Troß (Tross)
Als Tross bezeichnet man, beginnend mit den ersten militärgeschichtlichen Überlieferungen bis etwa zum Ende des Zweiten Weltkriegs, jene rückwärtigen Teile einer Militäreinheit, die Unterstützungsaufgaben insbesondere im Versorgungs- und Transportbereich übernommen haben.