Vor allem recht viele liebe Grüße und wie ihr seht bin ich noch am Leben. Am 23.8. * bin ich leicht verwundet worden (Stecksplitter unterm Schulterblatt). Ist nicht schlimm und die nächsten Tage wird der Splitter entfernt. Hatte viel Glück die ganzen schweren Wochen. Hatte viel erlebt und gesehen, war ich ja von Beginn der feindlichen Offensive über fünf Wochen immer vorne. Wir lagen bei Isjum, wo es noch immer ganz heiß zugeht. Mich erwischte es in der Früh, als die Sowjets wieder in das Dorf, das wir am Tag vorher genommen hatten, eingebrochen waren. Das Dorf lag schon seit Sonnenaufgang im feindlichen Artilleriefeuer und stand kein ganzes Haus mehr da. Unterstützt von Panzern hielten wir aber die Stellung. Mit meinem Schützen II ** war ich gerade mit einem Haufen Russen beschäftigt, die an einer Russenreihe vorzugehen versuchten. Wir hatten guten Erfolg und der Rest machte kehrt. Leider erwischte uns beide der Granathagel, sodass wir ausgeschaltet waren. Wir verbanden uns notdürftig in einem Keller und arbeiteten uns dann sprungweise zum Verbandsplatz zurück. Das letzte Stück nahm uns dann ein Panzer, der tanken fuhr, mit. Am Hauptverbandsplatz wurden wir dann operiert, doch konnte mein Splitter dort nicht entfernt werden. In einer Ju 52 flogen wir dann bis hierher. Liege nun auf einer Sammelstelle. Da ich nochmals operiert werden muss, ist es möglich, dass ich in ein Lazarett komme. Wenn ihr mir schreibt, so am besten auf die Feldpostnummer 39.359 c. Sonst sendet mir bitte nichts. Erstens hab ich alles und dann geht es sowieso auf den vielen Umwegen verloren. Bis ich ausgeheilt bin krieg ich vielleicht Urlaub, dann gibt’s ja ein Wiedersehen in der Heimat, worauf ich mich schon irrsinnig freue. Seid für heute nochmals recht herzlich gegrüßt, euer Toni
Der originale Feldpostbrief
Informationen zu diesem Feldpostbrief
* 23.8.1943 verwundet bei Isjum
In diesem Brief schrieb Anton Steinacher, dass er bei der Stadt Isjum am Montag, den 23.8.1943 (an diesem Tag wurde die nördlich von Isjum gelegene Stadt Charkow im Rahmen der Belgorod-Charkower-Operation von der roten Armee endgültig wieder zurück erobert), unter der Schulter verwundet worden ist. Seit bereits mehr als fünf Wochen war er bei diesen Rückzugsgefechten der russischen Donez-Mius-Offensive (Isjum-Barwenkowo Operation der Südwestfront Juli 1943 ab 17.Juli 1943, als Teil der 257. Infanterie-Division) eingesetzt. Diese sowjetische Sommeroffensive 1943 dürfte für Anton Steinacher die härteste Zeit im 2. Weltkrieg gewesen sein.
Im Rahmen der Recherchen zu diesem Feldpostbrief wurde das Schicksal von Michael Kilger entdeckt. Michael Kilger ist mit 24 Jahren zwei Tage vor diesem Brief (am 26.8.1943) ganz in der Nähe von Anton Steinacher bei Isjum gefallen. In welchem Dorf Michael Kilger genau gefallen ist, lässt sich nicht ermitteln, genau so wenig das Dorf, in welchem Anton Steinacher verwundet worden war.
Bei den Recherchen ist jedoch eine kleine Ortschaft etwa 20km südlich von Isjum aufgefallen, die im Zeitraum vom 16. bis zum 27. August 1943 im Zentrum der Gefechte gestanden ist: Dolgenkaja bzw. Dovhen’ke:
Dies könnte die Ortschaft gewesen sein, in welcher Anton Steinacher am 23.8.1943 verwundet worden ist. In jenem Artikel über die Donezbecken-Operation, welche von 16. August – 22. September 1943 stattgefunden hat, ist zu finden, dass die sowjetische 12. Armee südlich von Isjum hier einen Einbruch in die Stellungen der deutschen 46. Infanterie-Division unternommen hat. Diesen riegelte jedoch schon am selben Tag ein Gegenangriff der deutschen 23. Panzer-Division ab und eroberte bis zum Abend das verlorene Gelände zurück.
Diese historische Beschreibung könnte sich mit den Ausführungen in diesem Feldpostbrief decken, in welchem Anton Steinacher beschreibt, wie eine Ortschaft bei Isjum von den Sowjets zurück erobert worden ist, welche wiederum doch noch am gleichen Tag von der Wehrmacht gehalten werden konnte.
Hier brachte die Südwestfront vom 16. bis zum 27. August 1943 insgesamt neun Schützendivisionen, neun Panzerbrigaden, ein Garde-Panzerregiment und eine motorisierte Schützenbrigade (leider ist keine Information darüber zu finden, welche motorisierte Schützenbrigade hier gemeint ist) zum Einsatz. Die Vermutung liegt nahe, dass Anton Steinacher mit der „unbekannten“ Feldpostnummer 39359 c in einer dieser Einheiten gekämpft hat. Zwar gelangen der Roten Armee hier immer wieder tiefe Einbrüche in die deutschen Stellungen, doch Gegenangriffe der deutschen 23. Panzer-Division, 16. Panzer-Grenadier-Division und 17. Panzer-Division fügten ihr gleich darauf schwere Verluste zu und warfen sie zurück.
** Schützen II
Bei einem Schützen II dürfte es sich um einen mittleren Schützenpanzerwagen Sd.Kfz. 251 gehandelt haben.
Feldpostnummer 39.359 c - Infanterie- bzw. Grenadier-Regiment 466 III. Bataillon 10. Kompanie
Informationen über die Feldpostnummer 39.359 c zufolge sind folgende Daten zu finden:
39359
- Mobilmachung – 1.1.1940: Stab III Infanterie-Regiment 466
- 28.4.1940-19.9.1940: Stab III u. 9.-12. Kompanie
- 8.9.1943-22.4.1944: Infanterie-Regiment 466
- 3.1.1944: Stab III u. 9.-12. Kompanie
- 23.4.1944-24.11.1944: Grenadier-Regiment 466
- 24.6.1944: gestrichen
Aus diesem Feldpostbrief vom 15.9.1943 geht hervor, dass sich die Kompanie, der Anton Steinacher angehörte, sich ab nun, dem 8.9.1943, im Infanterie- bzw. Grenadier-Regiment 466 befunden hat.
Die Nachforschungen im Bezug auf die Feldpostnummer 39.359 C gestalten sich nicht eindeutig und mühsam, da diese umbenannt und gestrichen worden ist. Diese Feldpostnummer dürfte sich aus der ursprünglichen Feldpostnummer 38248 heraus ergeben haben und ist dem Infanterie- bzw. Grenadier-Regiment 466 III. Bataillon 10. Kompanie zugewiesen. Dass es sich bei 39.359 C um die 10. Kompanie handelt, ist durch die FPN-Info möglich. Ob und inwiefern dies mit der Kraftwagen-Transport-Abteilung 991 zusammen gehörte, ist nicht bekannt.