Feldpostbrief vom 26.11.1944 – Ort unbekannt

Liebe Mutter!

Sei vor allem wieder recht herzlich gegrüßt und vielen Dank für deine liebe Zeilen. Ich bin seit gestern von Hoyerswerda wieder weg und nun beim Lehrgang. Wie, wo und was kann und darf ich nicht schreiben. Nun das ist aber auch nicht so wichtig. Eines ist nur fein, wir werden auf einige Zeit eine nette Abwechslung vom sturen Infanteriedienst haben. Voraussichtlich wird es viel zu lernen geben, aber dafür wird es bedeutend interessanter sein. Wir haben wieder ganz schöne Unterkünfte und auch die Gegend ist hier ganz hübsch. Der Kurs wird sich über einige Wochen erstrecken und so werde ich auch in diesem Jahr kaum mehr zur Abstellung kommen. Somit geht es mir also vorläufig noch recht gut. Nun, liebe Mutter, wie geht es dir und Lisl? Hoffentlich seid ihr auch beide soweit gesund. Ist Roman noch in Purkersdorf und was ist eigentlich mit ihm? Nach deinem Bericht scheint er verwundet oder krank gewesen zu sein und wird er noch einige Zeit in der Heimat bleiben. Ich habe ihm gleich nach dem Erhalt deines Briefes geschrieben, aber noch keine Rückantwort von ihm. IN der Zwischenzeit wird ja seine Familie nach Steiermark gefahren sein und möglicherweise fuhr er ja auch hinunter. Man muss jetzt doch recht lange auf Post warten, da durch die Luftangriffe viel zerstört und der Bahnverkehr arg behindert wurde. Und jetzt geht in den kommenden Tagen auch alles noch über Hoyerswerda. Bin schon sehr neugierig was Roman schreibt. Er wird ja im Rückzug aus Griechenland viel erlebt haben. Und in Wien und Umgebung ist jetzt auch allerhand los. So freue ich mich schon recht auf baldige Nachricht. Hier ist, wie gesagt nicht viel los und auch Punkto Alarme ruhig. Heute haben wir auch noch sehr ruhigen Dienst. Nun wird es aber ja nicht so bleiben, denn morgen geht es schon ernstlich los. Ich schließe für heute und wollte dir bloß rasch ein Lebenszeichen geben. Werde dir bald wieder schreiben und freue mich auch wieder auf Nachricht von dir, liebe Mutter. Zu deinem kommenden Namenstag alles Gute und nochmals viele Grüße und Küsse, dein dankbarer Toni

Der originale Feldpostbrief

Feldpostbrief Anton Steinacher Regiment Kurfürst 26.11.1944
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 26.11.1944 aus Kamenz
Feldpostbrief Anton Steinacher Regiment Kurfürst 26.11.1944
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 26.11.1944 aus Kamenz - Feldpostnummer 48596

Informationen zu diesem Feldpostbrief

Dieser Feldpostbrief ist insofern interessant, als dass er über geheimdienstliche Aktivitäten und ein streng geheimes Schulungsprogramm informiert, an welchem Anton Steinacher anscheinend teilgenommen hat. So kann die Feldpostnummer 48 596 im November 1944 der Abwehr-Schule Lehr-Regiment Kurfürst zugeordnet werden. Erst kurz davor, im Herbst 1944, zog das Regiment Kurfürst nach Kamenz. Dies passt gut zur Beschreibung in diesem Feldpostbrief, dass sich Anton Steinacher in der Nähe von Hoyerswerda aufgehalten habe. Diese Ortschaft befindet sich nur etwa 25 Kilometer entfernt.

Die dort ausgebildeten Spezialagenten hatten zur Tarnung in ihrem Soldbuch den Eintrag „Nachrichten-Ersatz-Abteilung Meise“. Leiter der Agentenschule in Kamenz war ein Major Meyer und dessen Stellvertreter ein Hauptmann Novotnik. Interessant ist, dass die Intentität dieser beiden Herren bis auf ihren Nachnamen gänzlich im Verborgenen liegt. Insofern war es leider nicht möglich, nähere Informationen über die Tätigkeiten dort zu ermitteln. Von der Universität Tübingen gibt es allerdings zwei Dokumente, die auf den Lehrplan für die Schule des Geheimen Meldedienstes verweisen:

  1. Lehrplan der Schule des Geheimen Meldedienstes – Oktober 1944 vom Reichssicherheitshauptamt Amt VI
  2. Lehrplan der Schule des Geheimen MeldedienstesJahreswechsel 1944 / 45

Es wird vermutet, dass Anton Steinacher am 2. Lehrplan zum Jahreswechsel 1944 / 1945 teilgenommen hat. Allerdings sind keine Belege zu finden, ob er wirklich daran teilgenommen, und den Lehrgang auch wirklich beendet hat. Dies ist der vorletzte verbliebene Feldpostbrief. Es existiert nur noch ein weiterer Brief vom 3. Dezember 1945, in welchem Anton Steinacher über eine Gefangenschaft und Freilassung schreibt. Über die sonstigen Ereignisse im Jahr 1945, sowie Umstände rund um seine Gefangenschaft ist leider nichts bekannt.

Im zweiten Lehrplan ist als Referent Oblt. Dr. Eckhardt zu finden. Dabei handelt es sich um Karl August Eckhardt.

Eine Theorie besteht, dass Anton Steinacher eventuell an der Verteidigung des nur 40km entfernten Dresden ab November 1944 teilgenommen haben könnte und dort in Gefagenschaft geraten ist.

Informationen über Kamenz in den Jahren 1944 und 1945:

Von Oktober 1944 bis April 1945 wurde im Gebäude der Tuchfabrik Gebr. Noßke & Co., (Tarnname „Elster GmbH“), ein Außenlager des KZ Groß-Rosen betrieben, in dem nahezu 1.000 Häftlinge für die Daimler-Benz AG Flugzeugmotorenteile herstellen mussten. Bis zum Jahr 1990 befand sich in Kamenz die Offiziershochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung Franz Mehring der NVA mit zeitweise 1.500 Studierenden.

Standort der Abwehr-Schule Lehr-Regiment Kurfürst: Kamenz