Liebe Mutter und liebe Lisl!
Seid vor allem recht herzlich gegrüßt. Muss Euch nun mitteilen, dass ich voraussichtlich erst im November meinen Urlaub antreten kann. Ich war zwar für diese Woche eingeteilt und hätte jeden Tag wegfahren sollen. War Anfangs der Woche auf die Schreibstube kommandiert worden und mach nun Bürodienst. Bei dem schlechten Wetter eine ganz schöne Beschäftigung. Es kommen aber täglich Neuzugänge aus den Lazaretten, außerdem sind Urlaube, Versetzungen und Abstellungen zu schreiben, sodass die Kanzlei überhäuft ist mit Arbeit. So hat man meinen Urlaub aufgeschoben. In einer Hinsicht bin ich nun ja nicht schlecht dran, da ich nach dem Genesungsurlaub gleich kriegsverwendungsfähig bin und also gleich nach Rückkehr vom Urlaub wieder abgestellt werde. Bleibe dadurch ein bisschen länger in der Heimat, dann geht es ja ohnehin bald wieder fort. Auf Besserung im Wetter ist auch kaum mehr Aussicht, so ist nichts verloren, wenn ich etwas später weg kann und Euch besuchen komme. Freilich wäre ich andererseits am liebsten sofort nach meiner Ankunft in Reichenhall auf Urlaub gefahren. Sind es doch bald 8 Monate, dass ich nimmer daheim war. Und wie viel hat sich in dieser Zeit schon wieder ereignet? Man kann es kaum glauben, wie die Wochen und Monate dahin fliegen. Besonders in der Heimat. Draußen in der fremden Welt waren sie mir lange vorgekommen. Oft war es mir, als wäre ich schon Jahre von zu Hause fort und hatte das erste Heimweh meines Lebens als erwachsener Mensch. Das brachten nur die Umstände mit sich. Schon in der Slowakei, dann in Polen und nun gar im Sowjetparadies. Es wurde immer unkultivierter und schmutziger je weiter wir fort kamen und die Strapazen und Anforderungen an jeden Mann größer. Nun, ich darf mich nicht beschweren, dass ich bis jetzt gut durch kam, hatte ich wirklich viel Glück. Wie es weiter wird, weiß Gott allein. Hoffentlich haben auch Roman und Fredi Glück und sind heil und gesund.
Wünsche Euch alles Gute, liebe Mutter und Lisl und wegen meines Urlaubsantrittes schreibe ich, sobald ich genau Bescheid weiß. Schreibt mir auch ein paar Zeilen und so bleibe ich mit vielen Grüßen und Küssen, Euer dankbarer Toni
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Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall
Anton Steinacher absolvierte seine Gebirgsjäger Grundausbildung im Jahr 1940 in der Hochstaufen-Kaserne in Bad Reichenhall. Der Truppenübungsplatz liegt im Kirchholz und ist etwa 3 Kilometer von der Kaserne entfernt. Die Schießanlage befindet sich im Nesselgraben (Ortsteil Thumsee).