Feldpostbrief vom 19.9.1942 – Frankreich

Liebe Mutter und liebe Lisl!

Gleichzeitig mit eurem Brief vom 8. des Monats erhielt ich auch eure Karte vom 10. August. Diese ging sicher über Russland, daher traf sie auch so spät ein. Habe aber auch nachträglich große Freude damit. Könnt euch ja denken, wie sehnlich man hier im täglichen Einerlei sich auf Post und Nachricht aus der Heimat freut. Vielen Dank auch für die Päckchen und die RM * 50,-. Wenn ihr mir wieder einiges zum Zusetzen schicken könnt bin ich schon dankbar, doch Geld sendet mir vorläufig keines mehr. Habe ja noch den ganzen Betrag und bisher keine Gelegenheit gehabt etwas einzukaufen. Auch dürfen Gefreite bloß RM 43,- monatlich geschickt bekommen, was ich erst später erfuhr. Nun kann ich aber vorläufig, bis auf etwas Milch, hier nichts erstehen. Wir sind vom Truppenübungsplatz ja wieder weg und liegen jetzt nahe der Küste. Noch sind wir in Reserve und haben Ruhe. Nur ab und zu hören wir deutlich die Bombendetonationen von der Küste her. Hier ist alles Flachland und durchwegs Landwirtschaft. So sind wir bei Bauern im Quartier und ich bin augenblicklich zum Troß kommandiert. Wir haben wenige Leute in der Kompanie die Pferdepflege verstehen und da musste ich einspringen. Sonst bin ich im Granatwerfertrupp tätig. Ist aber beim Troß ** eine ruhige Kugel, wie man bei den Landsern sagt. Nur gestern hatte ich Pech und bin von einem Gaul geschlagen worden. Liege also mit einer Beule am Kopf und Schürfungen an Arm und Bein auf meiner Klappe. In paar Tagen werde ich jedoch schon wieder laufen und Dienst tun können. Heute habe ich endlich auch von Roman ein Lebenszeichen bekommen. Sein Brief ist auch von Anfang August und gelangte mit eurer Postkarte auf weitem Umwege zu mir. Auch in seinem Einsatzbereich herrscht jetzt Ruhe und geht es auch ihm gottlob noch ganz gut. Unsere Quartierleute sind gutsituierte Bauern, wie beim Rautner auf Hochroterd etwa. Sind auch sehr fromm und ein Sohn ist Geistlicher, der auf Ernteurlaub hier weilt und nach den Drescharbeiten an arger Grippe erkrankt ebenfalls das Bett hüten muss. Sind soweit sehr nette Leute nur sehr geizig, was ja bei den Bauern nichts Neues ist. Anfangs waren sie uns feindlich gegenüber, doch sehen sie nun, dass das deutsche Militär anders ist, als die Engländer, die bloß bis hierher „vorstießen“ und an der Front den französischen Soldaten kämpfen ließen. Wir nehmen ihnen außer Quartier und Stallungen nicht das Geringste und machen ihnen auch sonst keine Scherereien. Doch der jahrhundertelange Einfluss Englands sitzt in diesem Volke halt zu tief. Schließlich hätte sie ein französischer Sieg über uns eben auch mehr gefreut, als verlieren zu müssen, aber das verdanken sie ja ihrer eigenen Regierung. Schließlich dürfen sie sich gar nicht beklagen, denn bei uns stand es im Jahre 1918 wesentlich anders und wie haben sich die Franzosen, mit ihren Negern usw. bei der Besetzung des Rheinlandes und Ruhrgebietes benommen. Hier stehen alle Pferde, Kühe und Schweine im Stall und die Abgaben sind weit geringer als bei uns im Reich. Hier sieht man erst recht die Weitherzigkeit unseres Führers den Besiegten gegenüber. Die verdienen eine solch humane Behandlung gar nicht und ich würde da schon andere Anordnungen treffen. Doch der Führer ist ein großer Diplomat und wird schon wissen, warum er so handelt. Nun werden wir sehen was der Engländer hier weiter plant. Habe auch leise Hoffnung und Aussicht auf einen kurzen Urlaub. Möglich aber auch erst etwas später. Gehen ständig einige Kameraden auf Erholung heim, doch vorerst mal die den ganzen Winter draußen waren, was ja richtig ist. Habe heute auch Roman und seiner Frau geschrieben. Ich schreib euch auch bald wieder und sende euch für heute recht herzliche Grüße und Küsse, euer dankbarer Toni

Habe von Russland noch meine Zulassungsmarke ***, die ich nicht verfallen lassen will. Die Pakete gehen aber sehr langsam, so schickt nichts leicht Verderbliches. Vielleicht ein Milchbrot oder ähnlich. Wenn es auch resch wird ist’s noch immer als Zwieback zu verwenden und zum Kaffee ganz prima.

Der originale Feldpostbrief

feldpostbrief anton steinacher frankreich 1942
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 19.9.1942 aus Frankreich
feldpostbrief 2. weltkrieg anton steinacher frankreich 1942
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 19.9.1942 aus Frankreich

Informationen zu diesem Feldpostbrief

* Wert einer RM - Deutschen Reichsmark

Der Wert einer Deutschen Reichsmark hat im Jahr 1942 dem heutigen Wert von € 5,80 entsprochen. Wie in diesem Feldpostbrief von Anton Steinacher zu entnehmen ist, durfte ein deutscher Wehrmachtssoldat im Krieg maximal RM 43,- monatlich gesendet bekommen. Das entspricht somit einer Summe von etwa € 250,-. Dies kann man mit dem historischen Währungsrechner ermitteln.

Wert einer Deutschen Reichsmark im Jahr 1942

** Begriffserklärung: Troß (Tross)

Als Tross bezeichnet man, beginnend mit den ersten militärgeschichtlichen Überlieferungen bis etwa zum Ende des Zweiten Weltkriegs, jene rückwärtigen Teile einer Militäreinheit, die Unterstützungsaufgaben insbesondere im Versorgungs- und Transportbereich übernommen haben.

*** Begriffserklärung: Zulassungsmarke

Feldpost-Zulassungsmarken sind spezielle Briefmarken, die während eines militärischen Konfliktes von einer staatlichen Feldpost ausgegeben werden. Solche Marken sind relativ selten, da in den meisten Staaten Feldpost im Allgemeinen portofrei war. Oft waren allerdings Zusatzleistungen wie Einschreiben, Eilzustellung usw. portopflichtig, wofür Feldpostmarken verwendet wurden. Von den Feldpostmarken im engeren Sinne sind die Feldpost-Zulassungsmarken zu unterscheiden. Diese Marken wurden vom Deutschen Reich im Zweiten Weltkrieg durch die Feldpost zur Einschränkung des Postverkehrs zwischen Front und Heimat und in umgekehrter Richtung ausgegeben. Die Soldaten erhielten monatlich eine kleine Anzahl von solchen Zulassungsmarken. Zur Zulassung mussten diese Marken zusätzlich zur Frankatur auf Karten, Brief und Päckchen geklebt werden.