Feldpostbrief vom 12.12.1943 – Schwerin / Warthe

Liebe Mutter und liebe Lisl!

Gestern endlich erhielt ich den lang ersehnten Brief von euch. War eine freudige Überraschung, da mich ja seit meiner Rückkehr vom Urlaub keiner von euren Briefen erreicht hat. Die Post geht jetzt sehr langsam, aber am meisten schuld ist unsere Versetzung nach Meseritz und zurück. Und die Poststellen auf unseren Schreibstuben bekümmern sich auch nur solange man selber dahinter her ist. So hab ich auch das Paket nicht bekommen. Nun kann man halt nichts machen und ist nur schade um die Sachen. Ich bin deshalb auch immer gegen das Schicken von Paketen, weil sie meistens doch kaputt oder gar verloren gehen. Jetzt bin ich wenigstens froh, dass ich doch noch Nachricht von euch bekommen habe. Gottlob seid ihr gesund und wohlauf. Mir geht es jetzt auch wieder ganz gut und braucht ihr euch keine unnützen Sorgen meinetwegen zu machen. Morgen oder übermorgen sollen wir nun endlich doch verladen werden. So werden wir zu Weihnachten wohl schon wieder am Feind sein. Das Schlimmste ist halt die Kälte, aber es wird schon wieder alles gut gehen. Ich hatte bisher ja immer soweit Glück und wird es auch diesmal wieder klappen. Hoffen wir nur, dass sich die allgemeine Lage wieder bessert. Die Hauptsache ist und bleibt ja doch unser Endsieg. Diesem gebührt doch unsere größte Sorge. In diesem Sinne erleben wir auch heuer wieder unsere Weihnacht. Wenn wir auch nicht beisammen sein können, in meinen Gedanken und meinem Herzen bin ich bei euch. Wenn der heilige Abend auch ernst und einsam für uns ist, bedenken wir dass es heute allen so geht, die Opfer fürs Vaterland bringen. Es wäre ja schön wenn wir wieder einmal das Weihnachtsfest begehen könnten, allen zusammen auch mit Roman. Das ist aber eben nicht möglich und trösten wir uns, dass wir noch heil und gesund sind. Ich nehme dies ja auch von Roman an. Post habe ich ja auch schon lange von ihm. Wir sind halt mal keine eifrigen Briefschreiber und er ist nebenbei ja auch mehr mit familiären Angelegenheiten bekümmert. Ich bin diesbezüglich ja viel freier und doch hat man auch so seine Sorgen. Also legt es ihm nicht so schlimm aus. Er wird schon wieder schreiben. Wenn er mir auf mein Schreiben vom Urlaub zurück geschrieben hat, ging der Brief ja auch an ihn wieder zurück. Nun werde ich überhaupt viele Wochen keine Post erhalten können, bis ich wieder bei einer Einheit bin und eine Feldpostnummer habe. Den Brief von Heinz schickt mir bitte später noch und gebt der Anni, wenn sie nochmals anfragt, meine Feldpostnummer.

Wie ihr mir geschrieben habt, waren feindliche Flieger über Stangental. Die Frau Lensky hat mir auch mitgeteilt, dass in Wien Fliegeralarm war. Hoffentlich bleibt es nur immer beim Alarm. In Berlin haben die Bomben fürchterlich gewütet. Solche Angriffe auf die wehrlose Bevölkerung sind wohl das Gemeinste was es gibt. Einmal wird aber auch für diese Banditen der zahlende Tag kommen. Kommen muss dies doch einmal. Früher gibt es ja keinen rechten Frieden mehr auf dieser Welt. Die großen Opfer unseres Volkes werden diesmal doch immer so umsonst gebracht worden sein, wie in den früheren Kriegen. Ob wir diesen Frieden halt auch noch erleben werden, oft zweifle ich daran. Aber wir dürfen den Glauben nicht verlieren. Glauben und hoffen erhält uns doch immer wieder aufrecht. Euch daheim und uns Soldaten. Wie arm würden wir jetzt wieder hinaus fahren nach dem Osten, ohne daran zu denken, dass wir die Heimat und alles was wir lieben wieder sehen werden. Nun liegt es freilich in Gottes Händen und kommt es wie die Vorsehung bestimmt. Aber wer wollte deshalb schon vorher versagt sein. Wollen wir uns das Leben verschönern durch die Freude auf ein Wiedersehen. Bis dahin wollen wir uns immer schreiben und ich will euch liebe Mutter und liebe Lisl, auch von der Fahrt mal ein Lebenszeichen geben, damit ihr nicht beunruhigt seid. Von draußen teile ich euch auch gleich die neue Anschrift mit. Zu Weihnachten wünsche ich euch halt noch mal alles Gute für das neue Jahr. Vor allem Gesundheit und dann den baldigen heiß ersehnten Frieden. Überlassen wir die Lenkung unserer Geschichte ruhig Gott und dem Führer, dann wird’s schon recht werden. Sende ich euch liebste Mutter und Lisl, die letzten Grüße aus Deutschland und bleibe mit tausend innigen Küssen, wie immer, euer dankbarer Toni

Der originale Feldpostbrief

Feldpostbrief Anton Steinacher vom 12.12.1943
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 12.12.1943 - Ersatz Bat 466 Marschkompanie - Schwerin / Warthe
Feldpostbrief Anton Steinacher vom 12.12.1943
Fotografie des Absenders von Anton Steinacher vom 12.12.1943 - Ersatz Bat 466 Marschkompanie - Schwerin / Warthe