Feldpostbrief vom 1.4.1944 – Wien

Liebe Mutter und Lisl!

Wie ich euch durch eine Karte kurz mitgeteilt habe bin ich seit vorgestern in Wien. Die Sache war so: Wir waren noch immer im Kriegslazarett Buczacz in Ostgalizien von wo aus ich euch den letzten Brief schrieb. Meine Hand war bereits soweit geheilt, dass die Wunde geschlossen war. Allerdings ist die Sehne am Mittelfinger verkürzt und dadurch die Gelenkigkeit arg behindert. Trotzdem wäre ich aber schon entlassen worden. Nun habe ich aber noch ein paar Furunkeln bekommen, wodurch ich also noch blieb. Wir mussten zwar Wache stehen, hatten aber ansonsten ein schönes Leben.

Gegen März ist der Russe in Tarnopol eingebrochen und die Front rückte dann immer näher. Am 24. März mussten wir nun rasch mit unserem Lazarett verschwinden, sonst hätten uns die Sowjets kassiert. Wir fuhren über Stanislau, das ebenfalls bereits im Räumen war, durchs ganze Generalgouvernement zurück. An der Reichsgrenze wurden wir ausgeladen und nach Kattowitz überwiesen. Weil hier alles überfüllt war, wurde jeder in ein Heimatlazarett verlegt. Also hatte ich wieder einmal riesiges Glück.

Ja, ich war ordentlich überrascht, als ich von einem freundlichen Arzt gründlichst untersucht wurde. Beim Kommiss ist man so etwas ja nicht gewöhnt. Der Arzt stellte eine leichte Dämpfung der Lunge und Bronchitis fest und mit der Hand verlegt er mich demnächst in ein chirurgisches Lazarett, weil eine Streckung vorgenommen werden muss. So bleib ich doch noch kurze Zeit in Wien. Außerdem konnte ich beim Ers. Truppenteil nun einen Genesungsurlaub einreichen. Hoffentlich habe ich auch damit Glück. Dann komme ich wieder ein paar Tage zu euch. Einige Male in der Woche dürfen wir hier vom Lazarett auf ein paar Nachmittagsstunden weggehen. Ich kann allerdings noch nicht hinaus, weil meine Uniform noch bei der Entlausung ist. Bis dahin wird aber meine Überweisung in die Chirurgie erfolgen. Dort sind aber sicher ähnliche Bestimmungen, sodass ich öfter ausgehen kann. Nun ich freue mich schon recht auf ein Wiedersehen. Dienstag, Freitag und Sonntag ist von 14 – 16 Uhr Besuchszeit. Nun lohnt es sich halt nicht, dass du liebe Mutter oder Lisl, wegen 2 Stunden extra die weite Reise machst. Wollen wir die Verlegung in die Chirurgie abwarten. Ich schreib euch dann sofort. Schreibt mir auch ein paar Zeilen, wie es euch geht und was es Neues gibt. Paket schickt mir aber keines, denn ich hab hier ja alles, was ich brauche. Sollte die Lisl zufällig doch in Wien zu tun haben, kann sie ja in meinem Quartier übernachten. Ich war die erste Nacht daheim und hab die Schlüssel bei mir. Nun ab 18 Uhr ist dann ja auch die Frau Lensky daheim. Aber wenn wirklich die Möglichkeit besteht, mich zu besuchen, dann bringt mir bitte einen Rasierpinsel und ein paar Klingen mit. Sonst habe ich alles. Nun, wie schon gesagt, extra kommt nicht herein. Von dem chirurgischen Lazarett schreib ich euch gleich und hoffe, dass ich dort entsprechend heraus darf. Für heute send ich euch halt vorläufig recht herzliche Grüße und bis auf ein baldiges Wiedersehen, wie immer, euer dankbarer Toni

Der originale Feldpostbrief

Feldpostbrief Anton Steinacher Wien
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 1.4.1944 aus Wien
Feldpostbrief Wien 1. April 1944
Fotografie des originalen Feldpostbriefes von Anton Steinacher vom 1.4.1944 aus Wien

Informationen zu diesem Feldpostbrief

Einsatz im Grenadier-Feldausbildungs-Regiment 257 Stab III. Bataillon

Anton Steinacher wurde bis März 1944 im Infanterie-Ersatz-Regiment 257 Stab III. Bataillon (466) eingesetzt. Die im März 1944 geplante Umbenennung in Grenadier-(Feldausbildungs-) Regiment 717 wurde nicht durchgeführt, da das Regiment aufgelöst wurde. Anstelle dessen wurde erst im August 1944 das III. Bataillon in das Sturm-Bataillon AOK 17 der 17. Armee umgewandelt. Erfahrungsberichte des Grenadier-Feldausbildungsregiments 257 liegen vor.

Reserve-Lazarett XII b in der Jägerstraße 54, 1200 Wien (Schule)

Anton Steinacher erreichte am 30. März 1944 Wien und wurde in das Reserve-Lazarett XII b in der Jägerstraße 54, 1200 Wien eingeliefert, wo er nun auf die Überweisung in die Chirurgie gewartet hat.

Sein Weg vom Lazarett in der Ukraine bis nach Wien wird auf dieser Karte in etwa dargestellt:

Eine Anmerkung zum Briefpapier und Kuvert:

Das Briefpapier und Kuvert stammt von der Guardia alla Frontiera, einer 1937 gegründeten Grenzwache der italienischen Armee, welche die 1.851 km lange norditalienische Grenze mit dem sogenannten „Vallo Alpino Occidentale“ (487 km mit Frankreich), dem „Vallo Alpino Settentrionale“, (724 km mit der Schweiz und 420 km mit Österreich) und dem „Vallo Alpino Orientale“ (220 km mit Jugoslawien) verteidigte.