Liebe Mutter und liebe Lisl!
Ich bin nun seit gestern wieder im gelobten Lande. Wir liegen hier in einem Massenquartier, so auf Stroh usw … Hatten gestern auch eine Art Weihnachtsfeier, die jedoch mehr einem Zigeunerfest glich. Mich ekelte diese Sache ziemlich an, da sich die meisten Landser mit dem schlechten Fusel wieder toll besoffen. Heute sollen wir weiter transportiert werden. Zu unserer Division. Habe gestern das erste Mal das Schwarze Meer gesehen. Nun haben wir nimmer weit zur Front. Ich sende anbei meine überschüssigen Rauchwaren heim.
Feldpostnummer haben wir noch keine. Sobald ich sie bekomme, schreibe ich euch gleich und dann auch ausführlicher. Ich bin noch gesund, was ich auch von euch hoffe. Am Heiligen Abend war ich mit meinen Gedanken ganz bei euch daheim und ich denke auch so viel an euch.
Nun nochmals bleibt gesund und für heute 1.000 innige Grüße und Küsse, euer dankbarer Toni
Der originale Feldpostbrief
Informationen zu diesem Feldpostbrief
Diesem Feldpostbrief ist zu entnehmen, dass Anton Steinacher am 24. Dezember 1943 bereits wieder in der Ukraine war. An diesem Tag hat er zum ersten mal in seinem Leben das Schwarze Meer gesehen. Nach diesen Informationen liegt es Nahe, dass sich Anton Steinacher soeben auf dem Weg Richtung Krim befunden hat. Dort dürfte er dem Infanterie-Ersatz-Regiment 257 Stab III. Bataillon (466) zugeteilt worden sein. Am 1. Januar 1943 wurde das Regiment zur Umgliederung in die südliche Ukraine verlegt. Sechs Tage zuvor wurde dieser Feldpostbrief im Süden der Ukraine geschrieben.
Die Dnepr-Karpaten-Operation
Die Abbildung der Landkarte zeigt die Russland-Front (der blaue Bereich zeigt die umkämpften Gebiete) von Juli bis Dezember 1943. Wenn Sie mit der Mouse (Smartphone: auf die Abbildung tippen, erstes Bild wird wieder angezeigt, wenn Sie irgendwo neben dem Bild hintippen) über die Landkarte fahren, dann sehen Sie den begradigten Frontverlauf zu Gunsten der Roten Armee von Dezember 1943 bis April 1944. Die tükis-schwarzen Punkte auf der Landkarte markieren die Standorte von Anton Steinacher vor und nach der Frontbegradigung.
Abbildung: © Wikimedia Commons | en:user:Grafikm fr | Gemeinfrei
Anton Steinacher war an den Rückzugsgefechten der deutschen Wehrmacht ab Ende Dezember 1943 im Süden, nahe dem Schwarzen Meer, eingesetzt. Den Feldpostbrief vom 29.12.1943 schrieb der Obergefreite nur etwa einen Kilometer von der Frontlinie entfernt. Im Feldpostbreif vom 1.4.1944 schrieb Anton Steinacher bereits aus Wien und berichtete, dass er kurz zuvor aus der Gegend von Tarnopol mit dem gesamten Lazarett über das Generalgovernement vor den Sowjets geflohen ist. Diese Information deckt sich mit den historischen Beschreibungen.