Liebe Mutter und liebe Lisl!
Ich bin seit einigen Tagen wieder bei meinem Ersatzhaufen. Habe heute Wache und muss als stellvertretender Wachhabender die Nacht am Telefon verbringen. Es sind ein paar ruhige Stunden, die beim Kommissleben ja sowieso ungemein selten vorkommen. Auch habe ich hier Feder und Tinte und darum will ich ein paar Zeilen schreiben. Viel Neues gibt es zwar nicht nach meinem letzten Brief, doch ist es ein Lebenszeichen. Von euch habe ich, liebe Mutter und Lisl, noch keine Post erhalten. Als ich euch von meiner Abstellung nach Meseritz schrieb, blieb ich kurz, um noch hier in Schwerin eure Antwort zu erhalten. Ich habe unserer Postordonanz Bescheid gesagt, dass nur die Briefe nach Meseritz nachgeschickt werden sollen. Weil aber die Marschkompanie dann in Meseritz nur wenige Tage Aufenthalt hatte und gleich nach dem Osten abging, blieb die Post hier liegen und wurde an den Absender zurück geschickt. Sehr wahrscheinlich waren auch für mich Briefe dabei. Das ist eben beim Kommiss mal so, dass alles so unberechenbar ist. Am deutlichsten sieht man es hier auf der Wache, wo sich die Besucher anmelden müssen. Da kommen Angehörige der Landser von weit und breit hergefahren und so viele müssen wieder heimfahren, ohne Wiedersehen, da ihr Soldat knapp zuvor bereits abgestellt wurde. Bei mir ist es ja nicht anders. Ich hätte nicht gerechnet, dass ich sobald wieder da sein werde und kann auch jetzt nicht sagen, ob ich etwa morgen schon wieder abgestellt werde. So kann ich halt nur hoffen, dass mich doch noch ein Schreiben von euch erreichen wird. Heute sind es genau fünf Wochen, dass ich wieder von Stangental wegfahren musste. Die Zeit vergeht so schnell im Rückblick und doch so langsam im Erwarten des Kommenden. Unendlich erscheint mir die Zeit bis zu meinem nächsten Urlaub und unserem glücklichen Wiedersehen. Möge mir Gott diesen einzigen Wunsch, den ich jetzt im Kriege nur habe, erfüllen. Hoffentlich seid ihr beide gesund und habe ich doch bald Nachricht von euch. Ich schreib euch bald wieder und bleibe für heute mit 1.000 innigen Grüßen und Küssen euer Toni
Der originale Feldpostbrief
Informationen zu diesem Feldpostbrief
Diesem Feldpostbrief ist zu entnehmen, dass sich Anton Steinacher im Oktober 1943 wieder in der Heimat befunden hatte. So dürfte er Mitte Oktober in Stangental bei Mutter und Lisl gewesen sein, bevor er dem Infanterie-Ersatz-Bataillon 466 zugeteilt worden ist und im November 1943 nach Polen (Schwerin ander Warthe) abgestellt wurde. In diesem Brief schreibt Anton Steinacher auch von der Ortschaft Meseritz, die sich etwa 19 Kilometer südlich von Schwerin befindet.