Liebe Mutter und liebe Lisl!
Vor allem viele herzliche Grüße und ich hoffe, dass ihr beide gesund und wohlauf seid, was auch bei mir zutrifft. Nun sind wir ja schon wieder den zweiten Monat im Osten und bereits akklimatisiert. Bis auf der schlechte Wasser und die miesen Quartiere ginge es ja noch so halbwegs. Wir sind ja schon mitten im Frühling und in dem Dorf, wo wir nun jetzt wieder liegen, blüht und sprießt schon alles. Hier befinden sich doch eine Menge junge Obstbäume und haben die Einwohner auch bei ihren Hütten einen kleinen Garten. Arbeiten tun jedoch alle auf den großen Kolchosen außerhalb der Dörfer. Nicht alle hier haben noch eine Kuh oder Hühner, denn wir liegen schon sehr nahe der Front und hat diese Gegend mehrmals hintereinander den Besitzer gewechselt. In kurzen Abständen waren mehrmals die Sowjets und dann wieder unsere Truppen hier. Klar, dass darunter alles sehr gelitten hat. Auch trieben vor kurzem noch Partisanen ihr Unwesen und plünderten was noch zu holen war. Das Volk ist total verarmt und überall das gleiche traurige Bild. Nur findet man, dass die Menschen in den verschiedenen Gegenden fleißiger oder fauler sind. Hier arbeiten wieder alle sehr emsig. Kann auch sein, dass unsere Kommandanturen hier besser arbeiten und gründlicher durchgreifen. In diesem Abschnitt ist jedoch die Landwirtschaft heuer etwas später dran, da ja bis Ende Februar der Russe hier war und auf den Äckern nichts getan wurde. Zum Teil war die Bevölkerung mit den zurückweichenden italienischen und deutschen Truppen geflüchtet und erst jetzt wieder in ihre Häuser zurückgekehrt. Nun sind alle verfügbaren Pferde der Wehrmacht vor die Pflüge gespannt und wird das Versäumte eiligst nachgeholt. Der Boden ist ja ungemein fruchtbar und so wird es doch auch hier vorne noch eine gute Ernte geben. Solche schwarze Humuserde sollte halt auch im Stangental sein, dann müsstet ihr beiden Frauerln euch nur halb so plagen und der Ertrag wäre auch bedeutend größer. Der Führer wusste schon wozu er nach dem Osten strebte, denn ist einmal unser Besitz der Ukraine gesichert, ist die Ernährungsfrage für Deutschland und ganz Europa gelöst. Was hier allein an bis jetzt noch unbebauten und nicht genutzten Boden liegt, ist ungeheuer. Es tut einem das Herz weh, wenn man bedenkt, dass sich in der Heimat die Bauern, besonders im Gebirge, jeden Quadratmeter Acker und Wiese erkämpfen und erschinden müssen und hier liegen so riesige Flächen bester Erde brach. Nun nach dem Kriege soll dies anders werden. Die Hauptsache bleibt vorerst halt die sowjetische Gefahr zu zerschlagen. Aber wer einmal hier war, weiß um was es geht und jeder setzt sich dafür ein. Gottlob hat auch der Großteil der Heimat bereits den Sinn dieses Krieges erfasst und so werden wir es mit vereinten Kräften schon schaffen.
Wenn ich hier die Frauen auf den Feldern sehe, muss ich immer an euch in Stangental denken. Auch ihr habt ja jetzt im Augenblick alle Hände voll damit zu tun. Hoffentlich gedeiht euch alles wieder gut und macht die Traisen nicht wieder großen Schaden.
Was macht dein Ischias liebe Mutter und dein Hals liebe Lisl? Plagt euch nicht gar zu sehr und achtet vor allem auf eure Gesundheit, denn sie ist ja jedes Menschen größter Reichtum. Ich freue mich auch schon wieder auf einen Brief von euch und gute Nachricht von zu Hause. Am meisten natürlich aber auf ein frohes Wiedersehen. Für heute, liebe Mutter und Lisl seid mit halt nochmals recht herzlich gegrüßt und geküsst von eurem dankbaren Toni
Der originale Feldpostbrief
Informationen zu diesem Feldpostbrief
Aus diesem Brief geht hervor, dass sich Anton Steinacher im Mai 1943 in der Ukraine befunden haben muss. Durch seine vorige Feldpostnummer 39.017 c (Feldpostbrief vom 20.1.1943) dürfte er sich nun in der Heeresgruppe Süd (257. Infanterie-Division) befunden haben, als Teil der 1. Panzerarmee bei Donezk in der Ost-Ukraine, jener Gegend, wo er sich bereits fast ein Jahr zuvor zu Beginn der deutschen Sommeroffensive 1942 befunden hat. Dies bestätigt auch diese Information über das Grenadier-Regiment 466 als Teil der 257. Infanterie-Division. Hier geht hervor, dass ab Anfang April 1943 der Abtransport zur Ostfront durchgeführt worden ist (Einsatz bei Heeresgruppe Süd im Raum Isjum). Folgende Kämpfe hat diese Division durchgeführt:
- Kämpfe bei Kamyschewacha (südwestl. Isjum), Dolgenkoje, Sawodskoje
- Rückzugskämpfe durch den Raum um Losowaja, die Ssulla zum Dnjepr bei Dnjepropetrowsk
- Abwehr- und Stellungskämpfe am Dnjepr zwischen Woiskowoje und Südrand Dnjepropetrowsk
- Rückzugskämpfe bei Tschumaki, Boshidar und Ljubimowka, westlich Saporoshje
- Einsatz im Raum Kriwoi Rog
Feldpostnummer 39.359 c - Infanterie- bzw. Grenadier-Regiment 466 III. Bataillon 10. Kompanie
Informationen über die Feldpostnummer 39.359 c zufolge sind folgende Daten zu finden:
39359
- Mobilmachung – 1.1.1940: Stab III Infanterie-Regiment 466
- 28.4.1940-19.9.1940: Stab III u. 9.-12. Kompanie
- 8.9.1943-22.4.1944: Infanterie-Regiment 466
- 3.1.1944: Stab III u. 9.-12. Kompanie
- 23.4.1944-24.11.1944: Grenadier-Regiment 466
- 24.6.1944: gestrichen
Es ist nicht klar, zu welcher Einheit / Kompanie / Regiment diese Feldpostnummer im August 1943 gehört hat. Jedenfalls lässt sich auf Grundlage des Feldpostbriefes vom 28.8.1943 feststellen, dass er bei den Rückzugsgefechten der russischen Donez-Mius-Offensive (Isjum-Barwenkowo Operation der Südwestfront Juli 1943) eingesetzt gewesen ist.
Die Nachforschungen im Bezug auf die Feldpostnummer 39.359 C gestalten sich nicht eindeutig und mühsam, da diese umbenannt und gestrichen worden ist. Diese Feldpostnummer dürfte sich aus der ursprünglichen Feldpostnummer 38248 heraus ergeben haben und ist dem Infanterie- bzw. Grenadier-Regiment 466 III. Bataillon 10. Kompanie zugewiesen. Dass es sich bei 39.359 C um die 10. Kompanie handelt, ist durch die FPN-Info möglich. Ob und inwiefern dies mit der Kraftwagen-Transport-Abteilung 991 zusammen gehörte, ist nicht bekannt.