Liebe Mutter und liebe Lisl!
Ich habe das Paket und den Brief bekommen und kann Euch gleich zurück schreiben. Wir hatten nämlich heute Besichtigung unserer Kompanie durch den Regiments- und Bataillonskommandanten. Wir mussten alle Gefechtsübungen vorführen und da alles gut geklappt hat, haben wir heute Nachmittag frei. Ich habe auch die früheren Briefe und eine Karte von Euch erhalten, hatte aber beim besten Willen nicht die Zeit zum Schreiben. Dürft mir also deswegen nicht böse sein aber wir sind beim hiesigen Bataillon ja eigentlich wieder Rekruten. Es sind ja mehr wie die Hälfte davon schon alle draußen im Feld gewesen, in Polen und in Frankreich. Die ganzen Wochen seit dem wir hier sind, waren nur im Zeichen der Vorbereitungen für die Besichtigung und war so richtig harte Arbeit zu leisten. Waren wir doch ständig von früh bis spät und all dem schlechten Wetter draußen im Gelände, voller Dreck und waschelnass. Hatten auch öfters Nachtübungen und größere Märsche zu machen, so erst am vergangenem Samstag einen über 40 km. Todmüde kommt man da immer ins Quartier. Dann heißt es erst Umsorgen und Waffen reinigen, was natürlich viele Stunden von der Freizeit nimmt. Dann der weite Weg viermal am ag zum und vom Appellplatz. Aber wir sind schon sehr trainiert und dann sieht man erst was man so aushalten kann, wenn es sein muss. Betrifft auch die Gesundheit. Muss mich selbst oft fragen wieso ich fast jetzt gesünder bin, trotz aller Strapazen, als wie früher, da ich im Geschäft beim warmen Ofen sein konnte. Mein Husten tritt jetzt nur mehr zeitweise auf und ich fühle mich auch sonst gesund. Freilich müde bin ich immer, doch kommt das in erster Linie vom schweren Maschinengewehr, das ich ja wie ich Euch bereits mitteilte, die ganze Zeit mittragen muss. Bin auch immer bei gesundem Appetit, habe aber gottlob jetzt in dem neuen Quartier viel und gut zu Essen. Hoffe auch, dass jetzt nach der Besichtigung der Dienst etwas leichter und freier wird und habe auch Aussicht endlich Urlaub zu kriegen. Gibt also nach mehr als einem halben Jahr ein Wiedersehen. Doch sicher ist es noch nicht ganz. Schreibe Euch vorher jedenfalls gleich und freuen tue ich mich ja schon lange darauf. Bin sehr froh, dass ich Ohrenschützer habe. Der Cognac und die Bonbons waren herrlich, doch die Butter war leider ranzig. War aber das Paket auch fast drei Wochen unterwegs. Was Essen anbelangt, sendet mir jetzt nichts, solange ich so gut verpflegt bin bei den Bauern. Aber um einen Film wäre ich schon sehr froh und hin und wieder ein Schnapserl. Vor allem bitte ich Euch um warme, nicht zu kleine Socken, da habe ich immer zu wenig. Roman hat mir auch erst einen Brief geschrieben und wird wenig Zeit haben, wie ich als Rekrut. Discher ist in der Steiermark und habe ihm auch schon geschrieben. Roman seine Frau hat auch einmal geschrieben und Kümisch Poldi aus Frankreich. Hoffe, dass ich jetzt mehr zum Schreiben komme und danke Euch, liebe Mutter und Lisl, vorläufig für Alles. Hoffe auch, dass Ihr gesund seid und grüße Euch recht herzlich. Eurer dankbarer Toni
P.S.: Wenn Ihr mir schreibt, nicht mehr Jäger, sondern Soldat schreiben. Muss jetzt bei Feld. Post No. einheitlich sein. Viele Grüße auch an Fredi, wenn er kommt.
Der originale Feldpostbrief
Weitere Infomationen zu diesem Feldpostbrief
Dies ist der erste Feldpostbrief, den Anton Steinacher aus seinem neuen Batallion an einem unbekannten Ort geschrieben hat. Zu dieser Zeit waren die Standorte der Truppen sehr geheim, um den feindlichen Nachrichtendiensten keine Informationsquellen bieten zu können. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich Anton Steinacher zu diesem Zeitpunkt in Bad Aibling (westlich des Chiemsee) aufgehalten hat. Dort wurde sein neues Regiment, das Infanterie-Regiment 207 am 15.12.1940 aufgestellt. Um die Kommunikation innerhalb der Wehrmacht zu gewährleisten, wurde ein durchdachtes Feldpostnummern-System verwendet. Jedes Regiment verfügte über eine eindeutige Feldpostnummer. Durch diese Feldpostnummer konnten Briefe der jeweiligen Zustelladresse zugeordnet werden. Es war den Soldaten strengstens untersagt, Namen der Kommandaten und heikle Standortinformationen in den Briefen zu erwähnen. Der Buchstabe am Ende der Feldpostnummer kennzeichnet die jweilige Kompanie (die kleinste militärische Einheit eines Regiments), in welcher sich der Soldat befindet.
Anton Steinacher war der Feldpostnummer 11.649 C zugeteilt, welche sich auf das Infanterie– bzw. in Folge auf das Jäger-Regiment 207 Stab II. Bataillon 7. Kompanie rückverfolgen lässt.
Informationen zur Entstehung des Infanterie-Regiment 207 am 15.12.1940:
Infanterie-Rgt. 207 * 15. 12. 1940 (12. Welle) in Bad Aibling, WK VII (seit 9. 12. als Rgt. A der 97. ID), aus der 7. Inf.Div.: I. aus III./Inf.Rgt. 62 (* bei Mobilmachung in Landshut); Jäger-Rgt. 207 seit 6.7. 1942; dazu am 1.6. 1944 eine 17. (Pi.)Kp. G: I. 1-5. II. 6-10. III. 11-15, 16 (Pz.Jg.) und 1944 17 (Pi.) U: 97. leichte Inf.Div.: 1941 Südrußland (Lemberg, Kiew, Donez), 1942 am Donez 97. Jäger-Div. (seit 6. 7. 1942): 1942 Kaukasus, 1943 Kaukasus, Kuban, Krim, Nov. Südrußland (Nikopol), 1944 Südukrainc (Nikopol, Kischinew), Aug. Weichsel (Baranow), Okt. Beskiden. 1945 Oberschlesien, Mahren E: 100 (Geb.Jäg.) Bad Reichcnhall, WK VII